Das Ziel der Studie ist es, Hornlosigkeit mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas in Milchkühe einzubringen. Natürlicherweise kommt Hornlosigkeit bei Rinderrassen wie Angus vor, die in der Fleischrinderzucht verwendet werden, viel seltener jedoch bei Milchkühen.
In der Studie verwendeten die Wissenschaftler die Genschere CRISPR/Cas12a, eine Variante der „klassischen“ Genschere CRISPR/Cas9. Cas12a unterscheidet sich unter anderem von Cas9 durch ein spezifisches Schneidemuster, das die Genschere im Erbgut hinterlässt. Damit soll der Einbau von DNA-Vorlagen in das Erbgut des Zielorganismus begünstigt werden.
Die Wissenschaftler entnahmen einem Holstein-Friesian-Rind, also einer Rasse, die in der Milchproduktion häufig verwendet wird, einige Hautzellen aus dem Ohr. Sie kultivierten diese Zellen in einer Zellkultur und schleusten die Genschere zusammen mit einer Guide-RNA, die den Zielort im Erbgut des Rindes bestimmt, und einer DNA-Vorlage für Hornlosigkeit in die Zellen ein. Insgesamt wurden 70 positive Klone hergestellt, bei denen das zusätzliche Stück DNA zur Vermittlung der Hornlosigkeit im Erbgut eingefügt wurde. Die Zellkerne der so veränderten Zellen (mit einem doppelten Chromosomensatz) werden dann in die zuvor entkernten Eizellen injiziert, die sich daraufhin zu Embryonen entwickeln sollen. Es wurden insgesamt neun Embryonen in Leihmutterkühe übertragen. Drei der Embryonen lösten keine Trächtigkeit aus, sondern starben direkt in der Gebärmutter ab. Bei vier der Kühe kam es im Verlauf der Schwangerschaft zu erheblichen Komplikationen, sie verloren ihre Kälber. Ein weiteres Kalb wurde vorzeitig zu Versuchszwecken getötet. Nur ein Kalb wurde per Kaiserschnitt lebend geboren, starb jedoch noch am selben Tag. Es war zwar hornlos, hatte aber Fehlbildungen an mehreren Organen. Außerdem wies das Kalb ein erhöhtes Körpergewicht auf. Die Ursachen für die schweren gesundheitlichen Schäden wurden nicht genauer untersucht. Es ist davon auszugehen, dass das Klonverfahren einen wesentlichen Anteil am ungewollten Ausgang der Versuche hatte.
Die Studie untersucht das Erbgut des genomeditierten, geborenen Kalbs nur in geringem Umfang auf ungewollte Veränderungen: An drei Stellen des Erbguts wurde mit Hilfe von sogenannten PCR-Verfahren nach Off-Target-Effekten gesucht. Off-Target-Effekte sind ungewollte Veränderungen, die an Bereichen des Erbguts durch die Genschere bewirkt werden können, die der eigentlichen Zielsequenz sehr ähnlich sind. An den drei untersuchten Stellen wurden keine Off-Target-Effekte gefunden. Jedoch wurde der Rest des Erbguts nicht überprüft.
Darüber hinaus untersuchten die Wissenschaftler das Erbgut mit Hilfe weiterer PCR-Verfahren nach zusätzlich integrierten DNA-Fragmenten. Dabei zeigt sich, wie ungenügend die Aussagekraft solcher Nachweisverfahren ist: Die Wissenschaftler können nicht komplett ausschließen, dass zusätzlich eine Antibiotikaresistenz im Erbgut des Kalbs vorhanden ist, die für die gentechnischen Arbeiten im Labor verwendet wurde und im Erbgut des Kalbes nicht mehr vorhanden sein sollte.
Außerdem können die Wissenschaftler mit den PCR-Verfahren nicht eindeutig belegen, ob das DNA-Stück, das die Hornlosigkeit vermittelt, nur einmal oder ganz oder teilweise auch mehrfach in das Erbgut des Kalbs integriert wurde.
Nur mit einer genomweiten Analyse durch Whole-Genome-Sequencing-Verfahren hätten die Wissenschaftler sicher herausfinden können, ob das Erbgut des genomeditierten Kalbs auch in ungewollter Weise verändert wurde.
Schuster F, Aldag P, Frenzel A, Hadeler KG, Lucas-Hahn A, Niemann H, Petersen B (2020) CRISPR/Cas12a mediated knock-in of the Polled Celtic variant to produce a polled genotype in dairy cattle. Sci Rep 10 (1):13570. doi:10.1038/s41598-020-70531-y