Damit die Genschere CRISPR/Cas Zielbereiche des Erbguts von Pflanzen erkennen und verändern kann, muss sie zunächst in deren Zellen eingeschleust werden. Wissenschaftler haben dafür verschiedene Methoden der alten Gentechnik zur Auswahl: Recht häufig wird ein ringförmiges Stück DNA (auch genannt Plasmid) mit Fremd-DNA für die Bildung der Genschere mit Hilfe des Wurzelbakteriums Agrobacterium tumefaciens eingeschleust. Eine weitere, durchaus häufig angewandte Methode ist der Partikelbeschuss mit einer Genkanone, durch die kleine Kügelchen, auf die die Fremd-DNA aufgetragen wurde, in die pflanzlichen Zellen geschossen werden. Dabei wird häufig als Zwischenschritt eine gentechnisch veränderte Pflanze mit der DNA der Genschere im Erbgut hergestellt. Diesen Zwischenschritt wollen Wissenschaftler gerne umgehen, denn auch dabei können ungewollte Veränderungen am Erbgut auftreten.
In der Studie wird ein neues Verfahren vorgestellt, um das CRISPR/Cas-System auf eine andere Art und Weise, nämlich mit Hilfe von RNA-Viren, in pflanzliche Zellen einzubringen. Ein Vorteil besteht darin, dass mit RNA-Viren RNA übertragen wird, die nicht unbeabsichtigt in das Erbgut der Pflanzen integriert werden kann, wie es im Fall von DNA passieren kann. Ein großes Problem gibt es jedoch: Die DNA für die Genschere ist viel zu groß und die RNA-Viren bieten für so ein großes DNA-Fragment kaum Platz. Es gibt nur wenige Fälle, in denen es gelungen ist, die DNA der Genschere mit Hilfe von RNA-Viren in Pflanzen einzubringen. Die Effizienz der Genscheren, dabei eine Veränderung am gewünschten Zielbereich zu bewirken, ist sehr gering, es werden auch nur selten vererbbare Veränderungen vorgenommen.
Dieses Problem versuchen die Wissenschaftler zu lösen: Sie entkoppeln die Übertragung der eigentlichen Genschere (CRISPR/Cas) von der Übertragung der guide RNAs (gRNAs), die der Genschere den Weg zu den Zielregionen auf dem Erbgut zeigen. Da die Bauanleitung der gRNA wesentlich kürzer ist als die Bauanleitung für die Nuklease, kann dieses Element per Virus in die Zellen eingeschleust werden.
Sie verwenden deswegen transgene Tabakpflanzen, die die DNA für die Genschere CRISPR/Cas9 bereits fest im Erbgut verankert in sich tragen. Die gRNAs werden über das Tabak-Rattle-Virus in die Pflanzen eingeschleust und erkennen ein Gen namens Phytoene Desaturase (PDS). Eine Mutation dieses Gens bewirkt eine Aufhellung der pflanzlichen Blätter.
Zusätzlich wurden weitere RNA-Elemente eingeschleust, die die Effekte verstärken sollen: Zur Steigerung der Effizienz wurden die Wegweiser mit sogenannten mobilen RNA-Sequenzen versehen, die die Wegweiser vom Infektionsort zum Wachstumsbereich des Sprosses bringen und damit mehr vererbbare Veränderungen erzeugen können.
Das Ergebnis: Es zeigte sich, dass in der Tat neue Blätter mit gebleichten Stellen wachsen, das PDS Gen also stillgelegt wurde. Die Häufigkeit, mit der Mutationen in den neu wachsenden Blättern auftreten, liegt bei über 80%. Bis zu 65% der Setzlinge, die von den infizierten Pflanzen abstammen, tragen eine Mutation im Zielgen.
Die Verwendung von RNA-Viren zum Einschleusen von Genscheren steht noch ziemlich am Anfang, denn die Wissenschaftler müssen mit transgenen Pflanzen arbeiten, die die DNA der Genschere in sich tragen. Das eigentliche Ziel besteht darin, sowohl die Genschere als auch die Wegweiser mit Hilfe der RNA-Viren einzuschleusen und so den Zwischenschritt über eine transgene Pflanze zu vermeiden. Eine Alternative zu den gängigen Methoden über die Transformation mit dem Agrobacterium oder die Genkanone bietet die hier beschriebene Methode nicht.
Ellison EE, Nagalakshmi U, Gamo ME, Huang P-j, Dinesh-Kumar S, Voytas DF (2020) Multiplexed heritable gene editing using RNA viruses and mobile single guide RNAs. Nature Plants 6 (6):620 624. doi:10.1038/s41477-020-0670-y