In dieser Studie wird das CRISPR/Cas3-System aus Pseudomonas aeruginosa vom Typ I-C als neues Werkzeug für Genome Editing in verschiedenen Bakterien vorgestellt. Im Vergleich zur „klassischen“ Genschere Cas9 aus Streptococcus pyogenes hat Cas3 zwei verschiedene Funktionen: Zum einen zerschneidet Cas3 in seiner Funktion als Nuklease (Schneidekomponente) DNA und zum anderen wirkt Cas3 auch als Helikase. Helikasen entwinden die DNA-Doppelhelix. Cas3 schafft mit dieser Funktion die Grundlage für ein fortschreitendes Abbauen größerer DNA-Bereiche. Zum Auffinden der Zielregion(en) im Erbgut werden spezifische Wegweiser namens crRNAs verwendet. Die Wegweiser werden in einen sogenannten „Cascade“-Komplex (besteht aus Cas5, Cas8 und Cas7) eingebaut, der als Erkennungskomponente des CRISPR/Cas3-Systems fungiert. Hat der Cascade-Komplex mit der crRNA die passende Zielregion gefunden, wird Cas3 dazugeholt und beginnt ausgehend vom Zielbereich die DNA in beide Richtungen zu entwinden und zu zerschneiden. Dadurch entstehen Deletionen sehr großer DNA-Bereiche. Einer der Autoren der Studie bezeichnet das CRISPR/Cas3-System als eine Art „Pac Man“, der die DNA zerkaut.
In der Studie verwenden die Wissenschaftler das CRISPR/Cas3-System in P. aeruginosa, um an unterschiedlichen Bereichen des bakteriellen Erbguts Deletionen herbeizuführen. Dabei zeigte sich, dass damit sehr effizient ausgehend von der jeweiligen Zielregion große Deletionen erzeugt werden können, die sich in ihrer Größe unterscheiden. Die Effizienz von CRISPR/Cas3 kann durch essenzielle (lebensnotwendige) Gene beeinträchtigt werden, die in dem Bereich um den Zielbereich herum liegen. Werden diese Gene durch CRISPR/Cas3 deletiert, sterben diese Bakterien ab oder vermehren sich schlechter.
Im direkten Vergleich mit dem CRISPR/Cas9-System zeigte sich, dass durch die Aktivität von CRISPR/Cas3 vor allem große Deletionen entstehen. CRISPR/Cas9 erzeugt hingegen überwiegend kurze Deletionen und Punktmutationen oder es bleiben uneditierte Bakterien bestehen. Es zeigte sich außerdem, dass durch CRISPR/Cas3 und die Zugabe einer DNA-Vorlage, die mit benachbarten Bereichen der Zielregion übereinstimmen, gezielte Deletionen herbeigeführt werden können.
In der Studie wird das CRISPR/Cas3-System in drei weiteren Bakterien (E.coli, P. syringae und K. pneumoniae) verwendet, um große Deletionen im Erbgut zu erzeugen. Interessant ist hier vor allem die Arbeit mit dem pflanzlichen Pathogen Pseudomonas syringae, das natürlicherweise kein CRISPR/Cas-System besitzt. Im Erbgut von P. syringae kommen vielfach Gene vor, die die Virulenz, also die Infektionskraft des Erregers vermitteln. Diese Gene kommen redundant in sogenannten Clustern vor und sind mit bisherigen Techniken schwer ausschaltbar. Mit Hilfe des CRISPR/Cas3-Systems wurden große Bereiche des Erbguts an diesen redundanten Virulenz-Clustern deletiert. Außerdem verwendeten die Wissenschaftler eine crRNA, um gleich zwei verschiedene Cluster zu deletieren (Multiplexed Targeting). Das CRISPR/Cas3-System ist das natürlicherweise am häufigsten vorkommende CRISPR/Cas-System in Bakterien. Viele
Bakterien haben also ein eigenes CRISPR/Cas3-System im Erbgut eingebaut. Die Wissenschaftler verwenden daher auch Bakterienstämme, die ein eigenes CRISPR/Cas3-System besitzen und fügen nur die crRNA für Zielregionen ein. Das Ergebnis: große Deletionen werden auch mit einem endogenen CRISPR/Cas3-System erzeugt.
Das hier beschriebene CRISPR/Cas3-System soll in der Synthetischen Biologie eingesetzt werden und beispielsweise das Erbgut von Bakterien verkleinern und große Bereiche des Erbguts entfernen. Dadurch können Bakterien synthetisiert werden, in denen pathogene und/oder nicht benötigte DNA-Bereiche deletiert wurden.
Auch in höheren Organismen (Pflanzen, Tieren, Menschen) können sich die Autoren eine Anwendung vorstellen, um beispielsweise Bereiche des Erbguts zu deletieren, in denen kaum Gene vorhanden sind und von denen bislang nicht bekannt ist, warum sie im Genom vorhanden sind. Auch für das Löschen von sich häufig wiederholenden DNA-Sequenzen könnte CRISPR/Cas3 eingesetzt werden.
Bislang noch unvollständig verstanden ist, wie die CRISPR/Cas3-Reaktion im Erbgut beendet wird. In verschiedenen Bakterien gibt es unterschiedliche DNA-Reparaturmechanismen, die daran beteiligt sein können. In P. aeruginosa lassen sich an den Enden häufig kleine sich wiederholende DNA-Sequenzen finden (sogenannte Mikrohomologien). Die beobachteten Mikrohomologien sprechen dafür, dass in diesen Bakterien die MMEJ-Reparatur beteiligt ist. In P. syringae und E.coli lassen sich größere homologe DNA-Sequenzen an den Enden finden, was auf eine Beteiligung der HDR-Reparatur hindeutet. Häufig gibt es aber auch keine eindeutig übereinstimmenden DNA-Sequenzen an den Enden der durch Cas3-veränderten DNA-Abschnitte.
Ein weiteres auch natürlicherweise vorkommendes System könnte den Wissenschaftlern einen Strich durch die Rechnung machen: die sogenannten Anti-CRISPR-Proteine, die in Bakteriophagen vorkommen und in infizierten Bakterien CRISPR/Cas3 inaktivieren können. Um dieses Problem zu umgehen, bringen sie ein Gen mit in die Bakterien ein, dessen Genprodukt diese Anti-CRISPR-Proteine blockieren soll. Mit diesem „Anti-anti-CRISPR“ konnten die Wissenschaftler dieses Problem umgehen.
Die Studie zeigt eindrucksvoll, wie verschieden CRISPR/Cas-Systeme und ihre Wirkweisen in Bakterien sein können und wie diese Systeme für das Genome Editing eingesetzt werden können. Offene Fragen in Bezug auf mögliche unbeabsichtigte Veränderungen im Erbgut und auf beteiligte Reparaturprozesse bleiben jedoch offen.