In dieser Studie werden genetische Elemente vorgestellt, mit denen sich Gene Drives im Erbgut von Fruchtfliegen entweder ausschalten oder komplett entfernen lassen sollen. Diese Systeme beruhen auf der Weitergabe von spezifischen guide RNAs (gRNAs, Wegweiser der Genschere CRISPR/Cas9), die die Kettenreaktion eines auf CRISPR/Cas basierenden Gene Drives beenden sollen.
Ein Gene Drive, der auf CRISPR/Cas basiert und einmal freigesetzt wurde, ist nicht mehr kontrollierbar, und es ist nicht vollständig vorhersehbar, wie sich der Gene Drive in wilden Populationen ausbreiten wird. Solche Gene-Drive-Organismen tragen die Erbanlagen der Genschere CRISPR/Cas9 sowie gRNA(s) in sich, die dazu führen, dass das Gene-Drive-Konstrukt an ganz bestimmten Bereichen der DNA eingebaut wird und sich in jeder Generation selbst repliziert. Dabei werden die normalen Vererbungsregeln nach Mendel ausgehebelt und umgangen. Häufig soll dabei ein Zielgen zerstört werden, was dazu führt, dass überwiegend nur männliche Nachkommen erzeugt werden (siehe beispielsweise dazu Kyrou, et al (2018) A CRISPR-Cas9 gene drive targeting doublesex causes complete population suppression in caged Anopheles gambiae mosquitoes. Nat Biotechnol).
Die hier vorgestellten Kontrollmechanismen nutzen die Aktivität der Genschere CRISPR/Cas9 aus, die den Gene-Drive-Effekt bewirkt. Im Ergebnis legt sich die Genschere quasi selbst lahm. Mit den Kontrollmechanismen werden keine zusätzlichen Erbanlagen für die Genschere CRISPR/Cas9 mit eingeschleust, die Mechanismen werden nur aktiv, solange die Genschere in Erbgut aktiv ist. Wenn der Gene Drive durch eines der beiden neutralisierenden Elemente ausgeschaltet bzw. ersetzt wurde, werden die verbleibenden genetischen Elemente nach den Mendelschen Regeln an nachfolgende Generationen weitergegeben. Sie werden also mit normaler Häufigkeit weitervererbt und gehen möglicherweise nach einigen Generationen wieder verloren.
Es werden zwei unterschiedliche Ansätze vorgestellt. Bei beiden sollen nach einer Freisetzung von Gene-Drive-Organismen noch weitere GV Organismen, die mit zwei verschiedenen Mechanismen ausgestattet wurden, ausgesetzt werden. Diese sollen sich dann in den der betroffenen Population durchsetzen und den ursprünglichen Gene Drive wieder deaktivieren:
e-CHACR: Inaktivierung der Genschere CRISPR/Cas9
e-CHACRs (erasing construct hitch-hiking on the autocatalytic chain reaction) bestehen aus zwei verschiedenen gRNAs und nutzen die Aktivität der Genschere CRISPR/Cas9 aus, die den Gene-Drive-Effekt verursacht: Ein Wegweiser bewirkt den Einbau des e-CHACR-Elements in das Erbgut der Fruchtfliegen, der zweite Wegweiser die Veränderung der Erbanlage der Genschere CRISPR/Cas9 (des zu neutralisierenden Gene Drives). Das heißt, die Genschere zerstört ihre eigene DNA. Dabei ist es egal, in welchem Bereich des Erbguts das Gene-Drive-Konstrukt vorhanden ist. Die gRNA lotst die bereits gebildete Genschere an einen Zielbereich innerhalb der Erbanlage der Genschere und bewirkt damit, dass das Gen für die Genschere zerstört wird und diese nicht mehr gebildet werden kann. Sowohl das e-CHACR-Konstrukt als auch der ausgeschaltete Gene Drive verbleiben im Erbgut der Fliegen. Es ist schwer abzuschätzen, wie sich diese synthetischen genetischen Elemente langfristig in den Wildpopulationen verhalten und ob sie durch äußere Einflüsse beeinflusst werden. Möglicherweise gehen sie nach einigen Generationen wieder verloren.
ERACR: Austausch des Gene-Drive-Konstrukts
Auch ERACR (element reversing the autocatalytic chain reaction) besteht aus zwei gRNAs. In diesem Falle bewirkt die bereits gebildete Genschere CRISPR/Cas9, dass diese (geleitet durch die beiden gRNAs) links und rechts neben dem Gene-Drive-Konstrukt schneidet. Anschließend soll das ERACR-Element eingebaut werden. Das Gene-Drive-Konstrukt wird also aus dem Erbgut gelöscht und durch ein anderes genetisches Element ersetzt. Dabei zeigte sich, dass das Chromosom, auf dem das Gene-Drive-Konstrukt eingebaut wurde, beschädigt und verschiedene unbeabsichtigte Veränderungen ausgelöst werden können. Mit anderen Worten: Das Gene-Drive-Konstrukt wird aus dem Erbgut geschnitten und beim Wiederzusammensetzen der DNA können Fehler passieren. Auch hier verbleiben die synthetische Genkonstrukte im Erbgut.
Es zeigte sich, dass beide Systeme prinzipiell funktionieren und sie sich innerhalb von zehn Generationen in Versuchen mit Fruchtfliegen in Käfigen durchsetzen können. Wie gut die hier vorgestellten Mechanismen in einem realen Szenario einen invasiven Gene Drive blockieren können, bleibt offen. Die Ergebnisse sind umfangreich und durchaus interessant. Sie zeigen aber auch, dass durch zelleigene Mechanismen unbeabsichtigte Veränderungen auftreten können, deren Auswirkungen schwer abschätzbar sind.