Publikation: Genome-edited Camelina sativa with a unique fatty acid content and its potential impact on ecosystems

Kawall K (2021) → Genome-edited Camelina sativa with a unique fatty acid content and its potential impact on ecosystems. Environmental Sciences Europe 33 (1):38. doi:10.1186/s12302-021-00482-2

Die Studie gibt einen Überblick darüber, welche ungewollten und unerwarteten Auswirkungen eine Freisetzung von genomeditierten Pflanzen auf Ökosysteme haben kann. Diese Effekte ergeben sich aus den beabsichtigten Eigenschaften, die durch die Anwendung von Genome-Editing-Verfahren wie der Genschere CRISPR/Cas herbeigeführt wurden und die verschiedene Stoffwechselprozesse beeinflussen können. Die Möglichkeiten und die Geschwindigkeit, mit denen das Erbgut von Pflanzen verändert werden kann, werden durch den Einsatz von CRISPR/Cas stark erhöht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zusätzliche Gene in das Erbgut eingebaut werden. Auch kleine genetische Veränderungen, bewirkt durch sogenannte SDN-1-Anwendungen der Genschere, die mehrfach und in Kombination eingeführt werden, können Stoffwechselwege und Inhaltsstoffe erheblich verändern.

Veranschaulicht wird das in der Studie anhand eines konkreten Beispiels, dem Leindotter (Camelina sativa), welcher natürlicherweise reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist. In bereits veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten, die in diesem Artikel analysiert werden, wurde die Genschere dazu verwendet, um den Anteil der Ölsäure in seinen Samen zu erhöhen und den Anteil an leicht oxidierbaren Fettsäuren zu reduzieren. Damit soll das aus dem Leindotter gewonnene Öl länger haltbar bleiben. Leindotter besitzt einen sechsfachen Chromosomensatz, ein Gen kommt also in sechsfacher Kopie im Erbgut des Leindotters vor. Mithilfe der Genschere konnten im Erbgut des Leindotters bis zu 18 Genkopien dreier Gene auf einmal ausgeschaltet werden, um Pflanzen mit einem höheren Ölsäure-Gehalt zu erzeugen. Solche Eingriffe waren mit konventionellen Methoden bisher kaum bzw. nicht möglich und können zu ganz neuen biologischen Eigenschaften führen.

Neben den erwünschten Eigenschaften können auch ungewollte Auswirkungen auf verschiedene biochemische Prozesse auftreten, zum Beispiel bei der Bildung von bestimmten Botenstoffen, mit denen Pflanzen kommunizieren und mit denen sie z.B. einen Schädlingsbefall anzeigen und davor „warnen“. Wird der Gehalt an bestimmten Fettsäuren durch die Genschere CRISPR/Cas reduziert, kann das dazu führen, dass weniger Botenstoffe gebildet werden, da die Bildung abhängig von der Verfügbarkeit dieser Fettsäuren ist. Die genomeditierten Pflanzen können deshalb anfälliger für bestimmte Schädlinge sein. Außerdem kann eine veränderte Zusammensetzung von Fettsäuren auch in bestehende Nahrungsnetze eingreifen. Beispielsweise kann eine genomeditierte Pflanze, die als Nahrungsquelle für ein bestimmtes Insekt dient und in der Zusammensetzung ihrer Fettsäuren verändert wurde, die Entwicklung dieses Insekts beeinträchtigen. Das Insekt wäredann nicht mehr oder nur zum Teil als Nahrungsquelle für andere Tiere verfügbar, was zu einer Störung des Nahrungsnetzes führen kann. Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass sich die genomeditierten Pflanzen mit Wildarten kreuzen und es zu unbeabsichtigten Effekten in nachfolgenden Generationen kommt. Der genomeditierte Leindotter könnte auch in der Umwelt persistieren und sich unkontrolliert ausbreiten.

Scheinbar kleine Veränderungen im Erbgut von Pflanzen, die durch die Genschere CRISPR/Cas bewirkt wurden, können also große Auswirkungen auf Ökosysteme haben. Deswegen müssen Pflanzen mit neuen Eigenschaften auch dann eingehend auf Risiken geprüft werden, wenn keine zusätzlichen Gene eingefügt werden.

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