Doppelstrangbrüche (DSBs) der DNA entstehen natürlicherweise in jedem Organismus (Pflanzen, Tieren, Menschen) und werden von zelleigenen Reparaturmechanismen wieder verschlossen. Dabei kann der ursprüngliche Zustand vor dem DNA-Schaden wiederhergestellt oder aber das Erbgut kann an dieser Stelle verändert werden, indem dort kleine Insertionen, Deletionen oder Punktmutationen eingebaut werden. Außerdem – und darum geht es vor allem in dieser Studie – können DNA-Fragmente in den Bereich der DSBs des Erbgutes eingefügt werden.
In dieser Studie werden die DNA-Sequenzen der Zielregion in Mauszellen nach der Anwendung mit CRISPR/Cas9 untersucht und festgestellt, dass es in einigen Fällen zu einem unbeabsichtigten Einbau von artfremden DNA-Fragmenten gekommen ist. Durch die Anwendung der Genschere CRISPR/Cas9 werden an bestimmten Zielregionen des Erbguts gezielt DSBs eingeführt, um dort beispielsweise Gene auszuschalten. Zelleigene Reparaturmechanismen können, wie bei natürlicherweise auftretenden DNA-DSBs, kleine Veränderungen an der Zielregion bewirken. Den Großteil machen kleine Veränderungen an der Zielsequenz aus. In deutlich weniger Fällen (4%) werden an der Zielsequenz große DNA-Fragmente eingebaut.
Die Wissenschaftler untersuchten diese größeren DNA-Fragmente genauer und fanden heraus, dass sie aus verschiedenen Quellen hervorgehen: Ein Großteil stammt aus dem Vektorplasmid, mit dem die DNA der Genschere CRISPR/Cas9 in die Zellen eingebracht wurde, ein geringerer Anteil aus dem Bakterium E. coli, mit dem im Labor die DNA der Genschere CRISPR/Cas9 vervielfältigt wurde, bevor diese dann in die Zellen eingebracht wurde. Ein Teil der DNA-Fragmente ist auf das Erbgut der Maus zurückzuführen. Überraschenderweise stammt ein geringer Anteil der inserierten DNA-Fragmente aus dem Erbgut von Rindern. Die Erklärung dafür: Bei der Arbeit mit den Mauszellen in der Zellkultur muss dem Nährmedium der Zellen Rinderserum beigefügt werden, damit die Zellen sich vermehren und überleben können. Die DNA aus dem Rind verunreinigt sozusagen das Nährmedium und wird über sogenannte Exosomen, das sind kleine Vesikel, die dem Transport verschiedener Stoffe zwischen Zellen und ihrer Umgebung dienen, eingeschleust. Die Wissenschaftler wiederholten das Experiment mit Ziegenserum im Nährmedium der Mauszellen mit demselben Ergebnis: Im Zielbereich der CRISPR/Cas9-Anwendung wurde DNA aus dem Vektorplasmid, aus E.coli, aus der Maus und zu einem geringen Anteil DNA aus der Ziege gefunden.
Für die Anwendung von CRISPR/Cas9 ergeben sich dadurch wesentliche Aspekte für die Risikobewertung: So können solche DNA-Fragmente theoretisch auch an möglichen Off-Target-Bereichen und natürlicherweise auftretenden DSBs eingebaut werden. Off-Target-Bereiche sind Stellen im Erbgut, die der Zielregion sehr ähnlich sind und in denen die Genschere CRISPR/Cas9 unbeabsichtigte Veränderungen bewirken kann.
DNA-DSBs begünstigen den Einbau von Fremd-DNA, was ein generelles Problem im Grundkonzept der zielgerichteten Nukleasen wie CRISPR/Cas ist. Die aktuelle Forschung arbeitet an alternativen CRISPR/Cas-Systemen, die keine DSBs an der DNA bewirken, wie beispielsweise das Base-Editing oder Prime-Editing, die ihrerseits aber auch unbeabsichtigte Veränderungen am Erbgut hervorrufen können.