CRISPR-Cas9 effectors facilitate generation of single-sex litters and sex-specific phenotypes

Hintergrund

Oft werden in der Grundlagenforschung und der Landwirtschaft nur die Nachkommen eines Geschlechts benötigt. Zu nennen sind hier beispielsweise Experimente in der Grundlagenforschung, die sich mit der Entwicklung der Geschlechtsorgane befassen. Ein Beispiel in der Landwirtschaft ist die Milchindustrie, die nur die weiblichen Milchkühe benötigt, während die männlichen Kälber geschlachtet werden. In der Fleischindustrie werden männliche Rinder bevorzugt, da sie mehr Fleisch produzieren. Bei Schweinen hingegen werden v.a. die weiblichen Nachkommen verwendet, weil das Fleisch männlicher Schweine einen strengen Geschmack besitzt. Hier werden die männlichen Nachkommen entweder kastriert oder vor der Geschlechtsreife geschlachtet. Ein weiteres Beispiel stellt die Eier-Produktion dar: Da nur die weiblichen Küken als Legehennen benötigt werden, werden die männlichen Tiere kurz nach dem Schlüpfen getötet.

Gentechnische Veränderungen können dafür eingesetzt werden, Embryonen eines Geschlechts auszulöschen, so dass nur Nachkommen des gewünschten Geschlechts überleben. Das wurde bereits an der Fruchtfliege, Moskitos und Zebrafischen gezeigt. In der vorliegenden Studie werden solche Versuche sehr effizient an Säugetieren durchgeführt. In einer älteren Studie wurden Mäuse mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas9 so verändert, dass mehr weibliche als männliche Tiere geboren wurden. Die wenigen männlichen Nachkommen zeigten jedoch schwere Entwicklungsstörungen und starben nach der Geburt (Yosef et al., 2019).

Ergebnisse der Studie

In der aktuellen Studie entwickelten die WissenschaftlerInnen ein System, mit dem durch die Anwendung der Genschere CRISPR/Cas9 in Mäusen entweder nur männliche oder weibliche Nachkommen geboren werden. Außerdem lassen sich damit geschlechtsspezifische Veränderungen in den Nachkommen bewirken.

Das Zielgen der Genschere ist in den Experimenten das Topoisomerase 1 (Top1)-Gen, das notwendig für die Verdopplung der DNA während des Zellzyklus ist. Wird dieses Gen durch die Genschere während der Embryonalentwicklung ausgeschaltet, sterben die Embryonen schon frühzeitig ab. Das Besondere an diesem System ist die Aufteilung der benötigten Komponenten der Genschere: Die guide RNA (gRNA), die die Genschere an das Zielgen Top1 steuert, wird von einem Elternteil vererbt, die genetische Anlage für die Genschere Cas9 vom anderen. Mit Hilfe verschiedener Kombinationen aus den genetischen Komponenten konnten in den Mäusen so ausschließlich weibliche bzw. männliche Nachkommen erzeugt werden.

Das beschriebene System lässt sich so verändern, dass auch andere Zielgene in nur einem Geschlecht mit der Genschere spezifisch verändert werden können. Das hat beispielsweise in der Grundlagenforschung den Vorteil, dass ein Gen-Knockout in den Nachkommen nicht in beiden Geschlechtern vorkommt, sondern nur in dem zu untersuchenden Geschlecht.

Relevanz der Ergebnisse

Die Ergebnisse sind in vielerlei Hinsicht relevant: Zum einen erscheinen die Versuche aus bestimmten Perspektiven als sinnvoll , da damit theoretisch in der Grundlagenforschung Versuchstiere eingespart werden können. Durch diese Ergebnisse könnte also das 3R-Prinzip umgesetzt werden, dessen Ziel es ist, Tierversuche entweder vollständig zu vermeiden (Replacement), die Zahl der Tiere (Reduction) und ihr Leiden (Refinement) auf das unerlässliche Maß zu beschränken.

Bei näherem Hinsehen ergeben sich aber auch komplexe ethische Fragen und möglicherweise auch Risiken für Mensch, Tier und die Umwelt. Grundsätzlich sollten bei solchen Diskussionen auch Alternativen besprochen und das System der heutigen Lebensmittelproduktion hinterfragt werden. Abgesehen davon gibt es Bedenken hinsichtlich der Risiken solcher gentechnisch veränderter Tiere. Es wurde schon mehrfach über unbeabsichtigte Veränderungen im Erbgut von Tieren berichtet, die durch die Anwendung der Genscheren oder der dafür benötigten Klonierungsverfahren ausgelöst werden. So können dadurch Veränderungen an nicht beabsichtigten Bereichen des Erbguts bewirkt oder zusätzlich DNA-Fragmente eingebaut werden. In Europa fallen Anwendungen der Genscheren an Tieren unter das Gentechnikgesetz.

Das hier beschriebene System stellt in dieser Form keinen Gene Drive dar. Dazu müssten die einzelnen genetischen Komponenten und deren Weitergabe an die Nachkommen angepasst werden. Die AutorInnen selber erklärten in der Diskussion der Studie, dass ihre Versuche nicht der Etablierung eines Gene Drives dienen sollen und es mit den verwendeten genetischen Komponenten auch nicht möglich ist.

Referenzen

Douglas, C.; Maciulyte, V.; Zohren, J.; Snell, D.M.; Mahadevaiah, S.K.; Ojarikre, O.A.; Ellis, P.J.I.; Turner, J.M.A. CRISPR-Cas9 effectors facilitate generation of single-sex litters and sex-specific phenotypes. Nature Communications 2021, 12, 6926, doi:10.1038/s41467-021-27227-2.

Yosef, I.; Edry-Botzer, L.; Globus, R.; Shlomovitz, I.; Munitz, A.; Gerlic, M.; Qimron, U. A genetic system for biasing the sex ratio in mice. EMBO reports 2019, 20, e48269,
doi:https://doi.org/10.15252/embr.201948269.