Kurzer Hintergrund zum Thema Epigenetik
Die Epigenetik beschäftigt sich mit erblichen Veränderungen, bei denen jedoch nicht die DNA-Sequenz selbst verändert wird. Epigenetische Marker bestimmen, welche Gene in welchen Zellen abgelesen oder stillgelegt werden, sie beeinflussen also die Genexpression. Das Grundgerüst der DNA bleibt dabei aber unverändert. Epigenetische Marker sind also keine Mutationen der DNA, sondern biochemische Anhängsel der DNA.
Die Epigenetik ist entscheidend für eine koordinierte Entwicklung von Organismen und entscheidet darüber, wie die Zellen des Körpers sich weiterentwickeln und welche Funktionen sie übernehmen. Auch während der gesamten Lebensspanne eines Individuums spielt die Epigenetik eine wichtige Rolle: Durch äußere Umweltfaktoren wird jedes höhere Lebewesen mit Bedingungen konfrontiert, die es nötig machen, mit einer Veränderung der Genregulation schnell zu reagieren. Das tun sie über Veränderungen der epigenetischen Marker.
Auf der Ebene der DNA können vor allem der Base Cytosin (Buchstabe der DNA) kleine epigenetische Marker angehängt werden. Diese Anhängsel werden als Methylgruppen bezeichnet. Sie werden durch bestimmte Enzyme, die DNA-Methyltransferasen, auf die Basen der DNA übertragen. Die bei höheren Lebewesen am weitesten verbreitete und wohl wichtigste DNA-Methylierung ist die von Cytosin. Bei Säugetieren gibt es Bereiche im Erbgut, in denen besonders viele Cytosine und Guanine in der DNA-Sequenz vorkommen, weswegen man solche Bereiche auch als CpG-Inseln bezeichnet. Diese CpG-Inseln sind über das gesamte Erbgut verteilt und lassen sich vor allem in Genen und deren regulatorischen Bereichen finden. Die Cytosine in den CpG-Inseln sind nur im geringen Umfang methyliert. Dieses charakteristische Methylierungsmuster kann durch Umwelteinflüsse verändert werden. Die Gesamtheit aller epigenetischen Marker und ihre Verteilung über das gesamte Erbgut wird unter dem Begriff Epigenom zusammengefasst.
Ergebnisse der Studie von Farris et al.
In der Studie von Farris et al. wird untersucht, inwieweit sich das Methylierungsmuster im Bereich von Zielsequenzen verändert, wenn dort durch die Anwendung von CRISPR/Cas DNA-Vorlagen eingebaut werden, also sogenannte SDN-3 Verfahren. Zum Einbau einer DNA-Vorlage wird diese zunächst gemeinsam mit der Genschere in die Zelle eingebracht. Die Genschere schneidet die entsprechende Zielsequenz und aktiviert dadurch die zelleigenen Reparaturmechanismen. Da eine DNA-Vorlage von außen mit eingebracht wurde, wird unter anderem die HDR (Homology Directed Repair)-Reparatur aktiviert, welche den Einbau der DNA-Vorlage innerhalb der Zielsequenz auslöst. Die DNA-Vorlage ist so entwickelt, dass sie die beabsichtigte Veränderung der Zielsequenz beinhaltet (kleine Änderungen der DNA-Sequenz bis hin zu ganzen Gensequenzen) sowie zusätzlich noch einen großen Teil der umliegenden DNA-Region. Dabei entspricht die Sequenz der DNA-Vorlage exakt der DNA-Sequenz dieser benachbarten Bereiche. Man spricht von homologen Bereichen.
Zunächst verglichen die Wissenschaftler das Methylierungsmuster im gesamten Erbgut von durch CRISPR/Cas veränderten und unveränderten Mäusen. Dafür wendeten sie ein Verfahren namens „Whole Genome Bisulfit Sequencing“ an, um unbeabsichtigte Veränderungen des Methylierungsmusters zu identifizieren. Sie untersuchten zwei Mausstämme, die durch Anwendung der Genschere CRISPR/Cas und Einbringen von DNA-Vorlagen an zwei unterschiedlichen Zielbereichen verändert wurden (HDR1 und HDR2). Außerdem analysierten sie zusätzlich noch einen weiteren genomeditierten Mausstamm, bei dem keine DNA-Vorlage mit eingebracht wurde und bei dem die Aktivierung der NHEJ-Reparatur zu kleinen InDels (Insertionen und Deletionen) am Zielort geführt hatte (sogenannte SDN-1 Anwendungen). Die Zielbereiche aller durch CRISPR/Cas-veränderten Mäuse lag innerhalb oder unmittelbar in der Nähe von CpG-Inseln, also Bereichen im Erbgut, die normalerweise wenig DNA-Methylierungen besitzen.
Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass sowohl innerhalb des Bereiches der beabsichtigten Veränderung als auch in den homologen DNA-Sequenzen des HDR1- und des HDR2-Mausstammes das ursprüngliche Methylierungsmuster verändert wurde und mehr Methylierungsgruppen vorhanden waren. Bei dem NHEJ-Stamm konnten die Wissenschaftler keine Veränderung des Methylierungsmusters an der Zielsequenz und innerhalb der CpG-Insel nachweisen. Die Veränderungen scheinen also ein spezifischer Effekt für den Einbau von DNA-Vorlagen durch die HDR nach einem CRISPR/Cas-Eingriff zu sein. Die Untersuchungen wurden bei Mäusen durchgeführt, die diese Veränderungen noch in zehnter Generation (nach der CRISPR/Cas-Anwendung) in sich trugen. Sie sind also vererbbar, überdauern viele Generationen und sind nachweisbar. Die Wissenschaftler deuten in ihrem Artikel an, dass man die Veränderung des Methylierungsmusters dazu verwenden könnte, um beabsichtigte DNA-Insertionen im Erbgut nachzuweisen, die durch eine Anwendung von CRISPR/Cas entstanden sind.
Relevanz für Pflanzen
Das Methylierungsmuster in Pflanzen ist anders als in Säugetieren: Die Cytosine sind gleichmäßiger über das gesamte Erbgut verteilt und es gibt in pflanzlichen Genomen keine spezifischen CpG-Inseln. Die DNA-Methylierung ist dennoch ein wichtiger epigenetischer Marker, der auch bei Pflanzen die Genexpression und damit viele Prozesse unter anderem während der Entwicklung reguliert. In einer anderen Studie (Lee et al., 2020) wurde in Arabidopsis thaliana untersucht, ob die Genschere CRISPR/Cas unbeabsichtigte Veränderungen des Methylierungsmusters auslösen kann. Hier wurden jedoch ausschließlich NHEJ-Veränderungen, also kleine Veränderung an der DNA-Sequenz (SDN-1 Anwendungen) betrachtet. Das Methylierungsmuster wurde an vier verschiedenen Stellen des Erbgutes in durch CRISPR/Cas-veränderten und unveränderten Pflanzen untersucht. Zwei Zielbereiche trugen im normalen Zustand wenig DNA-Methylierungen, die zwei anderen dagegen mehr. Das Ergebnis: Das DNA-Methylierungsmuster änderte sich in keiner der durch CRISPR/Cas veränderten Pflanzen im Vergleich zu den Kontrollen. Dabei spielten auch Veränderungen an der Zielsequenz keine Rolle. Offen bleibt hier die Frage, ob es zu ähnlichen Effekten auch bei der Aktivierung der HDR und einem Einbau von DNA-Vorlagen, also SDN-3 Anwendungen, in Pflanzen kommen kann.
Offene Fragestellungen
Es wird nicht untersucht, ob die Genexpression in den CRISPR/Cas-Mäusen durch das veränderte Methylierungsmusters beeinflusst wurde. Es ist davon auszugehen, dass die Genexpression in unmittelbarer Nähe zu der beabsichtigten Veränderung beeinträchtigt sein kann. Dafür müssen weitere Untersuchungen folgen.
Außerdem sollten auch andere epigenetische Marker nach einer Anwendung von CRISPR/Cas untersucht werden: Neben der Methylierung der DNA werden auch Proteine mit epigenetischen Markern versehen, die in direktem Kontakt zur DNA stehen und die Genexpression beeinflussen können. Für solche Untersuchungen sollten Verfahren wie ChIP-seq-Experimente durchgeführt werden, um die Verteilung solcher epigenetischen Marker über das gesamte Erbgut zu untersuchen.
Die Ergebnisse von Farris et al. könnten auch Bedeutung für die Entwicklung von Gene Drives haben. Bei CRISPR/Cas-basierten Gene Drives beruht der Wirkmechanismus des Drives auf der Weitergabe der Erbinformation für die Genschere an alle Nachkommen. Es wird also während der Embryogenese die Zielsequenz durch die Genschere zerschnitten und die Erbinformation für CRISPR/Cas über die HDR-Reparatur in das normale Chromosom eingebaut. Bei der Risikoanalyse von Gene-Drive-Organismen sollte also auch das Epigenom berücksichtigt werden, um mögliche unbeabsichtigte Effekte auf die Genexpression zu untersuchen.
Farris MH, Texter PA, Mora AA, Wiles MV, Mac Garrigle EF, Klaus SA, Rosfjord K (2020) Detection of CRISPR-mediated genome modifications through altered methylation patterns of CpG islands. BMC Genomics 21 (1):856. doi:10.1186/s12864-020-07233-2
Lee JH, Mazarei M, Pfotenhauer AC, Dorrough AB, Poindexter MR, Hewezi T, Lenaghan SC, Graham DE, Stewart CN (2020) Epigenetic Footprints of CRISPR/Cas9-Mediated Genome Editing in Plants. Frontiers in Plant Science 10 (1720). doi:10.3389/fpls.2019.01720