Detection of Deleterious On-Target Effects after HDR-Mediated CRISPR Editing.

Große unbeabsichtigte Umstrukturierungen des Erbguts an oder in der Nähe der Zielsequenz werden als sogenannte On-Target-Effekte bezeichnet. Von Off-Target-Effekten wird gesprochen, wenn an einer anderen Stelle des Erbgutes als der Zielsequenz unbeabsichtigt Veränderungen herbeigeführt werden. Große Umstrukturierungen im Erbgut können beispielsweise große Deletionen sein, das heißt, sehr große DNA-Stücke werden auf einem der beiden DNA-Stränge gelöscht oder aber es werden unbeabsichtigt große DNA-Sequenzen an der Zielsequenz eingefügt.

In Mäusen und humanen Zellen wurden bereits in früheren Studien solche großen Umstrukturierungen des Erbguts nach einem Eingriff mit der Genschere CRISPR/Cas9 beschrieben (Originalpublikationen: Adikusuma F, Piltz S, Corbett MA, Turvey M, McColl SR, Helbig KJ, Beard MR, Hughes J, Pomerantz RT, Thomas PQ (2018) Large deletions induced by Cas9 cleavage. Nature 560 (7717): E8-E9. doi:10.1038/s41586-018-0380-z und Kosicki M, Tomberg K, Bradley A (2018) Repair of double-strand breaks induced by CRISPR-Cas9 leads to large deletions and complex rearrangements. Nat Biotechnol 36 (8):765-771. doi:10.1038/nbt.4192). In den Arbeiten mit menschlichen Zelllinien wurde die Erbanlage der Genschere stabil in das Erbgut der Zellen integriert und die Genschere permanent gebildet. Bei diesen Arbeiten wurden die Zielsequenzen durch die Aktivität der Genschere und des zelleigenen Reparaturmechanismus NHEJ ausgeschaltet.

In der Studie von Weisheit et al. 2020 wird nun erstmalig das Auftreten von On-Target-Effekten nach CRISPR/Cas9-Versuchen in menschlichen induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) untersucht, in denen die Genschere nur vorübergehend in den Zellen gebildet wird. Die Erbanlage der Genschere wird also nicht stabil in das Erbgut eingefügt, sondern liegt nur temporär in den Zellen vor. Außerdem wird überprüft, ob solche großen Umlagerungen auch bei der Aktivierung eines weiteren Reparaturmechanismus der Zellen namens HDR auftreten. Die HDR wird bei SDN-2- und SDN-3-Anwendungen von CRISPR/Cas9 ausgenutzt, um DNA-Vorlagen an der Zielsequenz einzubauen. In der Studie wird mittels HDR eine Variante des APP-Gens an der Zielsequenz eingefügt. Dieses Gen ist an der Entstehung von Alzheimer beteiligt.

In der Studie wird eine Methode zum Nachweis von On-Target-Effekten beschrieben, die die Autoren quantitative Genotypisierungs-PCR (qgPCR) nennen. Bisher wurden zur Identifizierung von großen Umlagerungen andere Verfahren wie die long-range-PCR verwendet, die jedoch recht kostspielig und aufwendig in der Durchführung sind. Bei der qgPCR wird eine klassische PCR durchgeführt, bei der die Zielsequenz in den genomeditierten Zellen vervielfältigt wird. Zusätzlich wird noch eine fluoreszierende Sonde, die an der Zielsequenz binden kann, entworfen. Durch die Vervielfältigung des Zielbereiches bei der PCR kann anhand der leuchtenden Sonde ermittelt werden, ob in der Zelle eine oder zwei Kopien der Zielsequenz vorhanden sind. Damit lassen sich also sehr schnell und effizient Deletionen an der Zielsequenz ermitteln.

Die Wissenschaftler finden bei bis zu 40% der untersuchten Zellen, die durch die Aktivierung der HDR DNA-Vorlagen in ihr Erbgut eingebaut haben, On-Target-Effekte. Auch in 50% der iPSC-Zellen, in denen die Zielsequenz über die Aktivierung der NHEJ-Reparatur verändert wurde, finden die Wissenschaftler große Deletionen an der Zielsequenz. Diese Deletionen könnten ohne ein geeignetes Untersuchungsverfahren unerkannt bleiben, da mit Hilfe einer Standard-PCR nicht festgestellt werden kann, ob zwei oder eine Kopie des Zielbereiches vorhanden sind. Sollte nach einer CRISPR/Cas-Anwendung eine Kopie des Gens unbeabsichtigt gelöscht werden, so können die Ergebnisse von funktionalen Studien irreführend sein.

Außerdem wird ein Effekt namens Loss-of-Heterozygosity (LOH) beschrieben: Natürlicherweise treten an bestimmten Stellen des Erbgutes genetische Varianten auf. Das bedeutet, ein Individuum kann an einzelnen Gen-Orten unterschiedliche Varianten eines Gens (ein sogenanntes Allel) in sich tragen, was als Heterozygotie bezeichnet wird. In den Untersuchungen zeigte sich nun, dass zusätzlich zu der eingebauten DNA-Vorlage diese kleinen Unterschiede im Erbgut verlorengegangen sind und gelöschte DNA-Bereiche einfach durch die zweite, nicht gelöschte Genkopie ersetzt wurden. Es finden sich dann also zwei identische Genkopien, wo ursprünglich zwei unterschiedliche Allele vorhanden waren. Das kann große Teile bis hin zu ganzen Chromosomenarmen betreffen. Eine abschließende Erklärung für diesen Effekt haben die Autoren der Studie nicht.

Abschließend fordern die Autoren die Durchführung von geeigneten Qualitätskontrollen nach der Genomeditierung, um unbeabsichtigte On-Target-Effekte frühzeitig zu identifizieren.

Weiterhin sollte in der Debatte nicht übersehen werden, dass es auch an DNA-Bereichen zu großen Umlagerungen kommen könnte, die nicht in direkter Nähe der Zielsequenz, sondern weiter entfernt davon liegen.

Ref: Weisheit I, Kroeger JA, Malik R, Klimmt J, Crusius D, Dannert A, Dichgans M, Paquet D (2020) Detection of Deleterious On-Target Effects after HDR-Mediated CRISPR Editing. Cell Rep 31 (8):107689. doi:10.1016/j.celrep.2020.107689
Weisheit I, Kroeger JA, Malik R, Wefers B, Lichtner P, Wurst W, Dichgans M, Paquet D (2021) Simple and reliable detection of CRISPR-induced on-target effects by qgPCR and SNP genotyping. Nature Protocols. doi:10.1038/s41596-020-00481-2