Bisher ist es noch nicht möglich eindeutig nachzuweisen, ob eine neu auftretende Veränderung im Erbgut von Pflanzen durch Genome Editing entstanden ist oder eine natürlicherweise auftretende Mutation vorliegt. Die Studie von Biswas et al. 2020 beschreibt eine Methode, um sowohl CRISPR/Cas-induzierte als auch natürlicherweise vorkommende Mutationen nachzuweisen. Dabei können sowohl die Veränderungen an der Zielsequenz als auch ungewollte Off-Target-Effekte im Erbgut erfasst werden. Auf den ersten Blick erweckt die Publikation den Eindruck, dass es mit der vorgestellten Methode möglich wird, Veränderungen, die durch die Genschere entstanden sind, von natürlicherweise vorkommenden Mutationen zu unterscheiden. Das ist aber nicht der Fall.
Es wird eine Nachweismethode beschrieben, die auf einer schon früher angewandten Methode mit dem Namen multiplex ligation-dependent probe amplification (MLPA) basiert. Diese Methode wird in der Studie an verschiedenen Reispflanzen angewandt, die unterschiedliche genetische Hintergründe besitzen oder mit Genome Editing verändert wurden. Eine Voraussetzung für die Durchführung dieser Methode ist, dass die Zielsequenz, die durch CRISPR/Cas9 verändert werden soll, den Wissenschaftlern bekannt ist. Auf dieser Grundlage werden dann spezifische DNA-Sonden entwickelt, die aber nur in dem Fall, dass die ursprüngliche DNA-Sequenz noch vorhanden ist, an der Zielsequenz vollständig binden können. Sollte eine neue Veränderung an der Zielsequenz auftreten, können die Sonden nicht an die DNA binden. Die gebundenen DNA-Sonden werden in einem klassischen PCR-Verfahren vervielfältigt und ausgewertet.
Drei Ergebnisse sind möglich:
- Die Sonden konnten innerhalb der Zielregion binden und bei der Auswertung am Computer wird ein Peak sichtbar. Die ursprüngliche DNA-Sequenz ist also noch vorhanden.
- Die Sonden können nicht binden und es entsteht kein Peak in der Auswertung, es liegt also eine Veränderung an der Zielsequenz vor.
- Es entsteht ein kleinerer Peak, was ein Hinweis für das Vorhandensein von einer Mischung der ersten beiden Ergebnisse ist. Das ist der Fall, wenn auf einem Chromosom die ursprüngliche Sequenz vorhanden ist und auf dem anderen Chromosom eine neu entstandene Mutation. Diese Veränderung liegt dann heterozygot vor.
Für den Nachweis von Off-Target-Effekten entwerfen die Wissenschaftler die Sonden anhand von Prognosen von Computerprogrammen, die die fünf Bereiche des Erbgutes bestimmen, die der Zielsequenz am ähnlichsten sind. Die MLPA Methode funktioniert, wie für die Veränderungen an der Zielsequenz beschrieben: Ist eine neue Mutation an einem Off-Target-Bereich vorhanden, können die Sonden nicht binden und es entsteht kein Peak in der Auswertung.
Für den Nachweis von natürlicherweise auftretenden Varianten werden verschiedene Reissorten untersucht, die bekannterweise an bestimmten Orten des Erbgutes Mutationen tragen. Die Sonden werden dann speziell für DNA-Bereiche entworfen, in den natürliche Varianten bekannt sind. Das bedeutet, auch die natürlicherweise auftretenden Mutationen im Erbgut sind bekannt. Die Sonden können dann zum Nachweis solcher genetischen Varianten verwendet werden.
Es können mehrere DNA-Proben von verschiedenen Reispflanzen gemischt und gleichzeitig untersucht werden, was ein großer Vorteil dieses Verfahrens ist. Die genaue Abfolge der DNA-Sequenz wird jedoch nicht aufgeschlüsselt, dazu müssen die einzelnen Proben sequenziert werden.
Ein Zitat aus der Diskussion der Studie macht deutlich, dass nach wie vor Whole-Genome-Sequencing Verfahren angewendet werden müssen, um unbekannte Off-Target-Effekte im gesamten Erbgut zu identifizieren:
Ein eindeutiger Nachweis, ob es sich bei neu auftretenden, ungewollten Veränderungen im Erbgut um Fehler der Genschere oder um spontan auftretende Mutationen handelt, ist nach wie vor noch nicht möglich.