Multiplexed CRISPR-Cas9 system in a single adeno-associated virus to simultaneously knock out redundant clock genes

Grundlagen der inneren Uhr bei Säugetieren
Alle höheren Lebewesen besitzen eine zirkadiane Rhythmik, also eine innere biologische Uhr, die sich an den Tag-Nacht-Zyklus auf der Erde angepasst hat und eine Periodenlänge von ungefähr 24 Stunden besitzt. Die zirkadiane Rhythmik steuert viele physiologische Prozesse und bestimmt die Verhaltensweise eines Organismus. Bei Säugetieren werden so zum Beispiel der Schlaf- und Wachzustand, die Körpertemperatur, der Blutdruck und das Immunsystem reguliert. Der zirkadiane Rhythmus wird durch die periodische Expression von vielen Genen der inneren Uhr in jedem Gewebe eines Organismus geregelt. Das Zusammenspiel der Genexpression vieler verschiedener Gene wird im Gehirn, genauer gesagt im Hypothalamus, von Säugetieren reguliert. Die wichtigsten Gene der inneren Uhr sind Cryptochrom (Cry), Period (Per), Bmal1 und Clock. Ist die Genexpression eines dieser Gene gestört, können zum Beispiel Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen oder Übergewicht die Folge sein.

Die Gene der inneren Uhr wurden u.a. in Mausmodellen untersucht, wobei bisher nur einzelne Gene ausgeschaltet werden konnten. Die Auswirkungen solcher Gen-Knockout-Experimente in Mäusen waren vielfältig: gesteigertes Angstverhalten, Depressionen, gestörter Schlaf-/Wachzustand.

Ziel und Ergebnisse der Studie von Kim et al.
Die Autoren der Studie wollen mehrere verschiedene Gene der inneren Uhr in Mäusen mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas9 gleichzeitig ausschalten. Bisher wurde die Genschere dafür verwendet nur einzelne Gene der inneren Uhr oder mehrere, die sich in ihrer DNA-Sequenz sehr ähnlich sind, auszuschalten. Sie wollen also eine komplexe Anwendung von CRISPR/Cas9 namens Multiplexing in verschiedenen Mausmodellen zur Untersuchung der zirkadianen Rhythmik durchführen.

Zunächst arbeiten die Wissenschaftler mit Maus-Zellen in der Zellkultur, um einzelne Gene der inneren Uhr mit Hilfe von CRISPR/Cas9 auszuschalten und verschiedene Wegweiser der Genschere zu testen. Damit sollen diejenigen Wegweiser ausgewählt werden, die die Zielgene am effizientesten ausschalten. Sie kombinieren jeweils drei ausgewählte Wegweiser in verschiedenen genetischen Konstrukten (namens CSAC-Crys, CSAC-Pers und CSAC-Bmal1), die verschiedene Bereiche der Zielgene Cry1/2, Pers1/2 und Bmal1 erkennen, und spritzen diese dann in den Hypothalamus von transgenen Mäusen. Dabei verwenden sie Mäuse, die die DNA zur Bildung der Genschere bereits im Erbgut verankert haben. Die Genschere wird also von diesen Mäusen immer wieder gebildet, erst durch die Zugabe von Wegweisern erkennt die Genschere dann bestimmte Zielsequenzen und schneidet dort.

Das Einbringen des genetischen Konstrukts wird in dieser Studie durch den Einbau der Wegweiser-DNA in Adeno-assoziierte Viren (AAV) ermöglicht. Solche Viren enthalten keine Krankheitsgene mehr und fungieren als Transport-Vehikel, um DNA in Säugetierzellen einzuschleusen. Man bezeichnet solche Transport-Vehikel auch als virale Vektoren, sie werden häufig in der Grundlagenforschung eingesetzt. Die AAV-Vektoren werden nach einiger Zeit wieder abgebaut.

Zur Prüfung, ob die Gene der inneren Uhr in den injizierten Mäusen auch wirklich ausgeschaltet wurden, werden die Gehirne einiger Mäuse entnommen, mikroskopische Schnitte erstellt und mit Hilfe von Antikörperfärbungen gezeigt, dass die Gene auch wirklich ausgeschaltet wurden. Als nächstes wurde das Verhalten der Mäuse genauer untersucht, um zu prüfen, ob das Ausschalten der Gene auch wirklich einen Einfluss auf die innere Uhr hat. Die Kontrollmäuse zeigten ganz normale Bewegungsaktivität im Einklang mit ihrem periodischen Tag-Nacht-Rhythmus, auch wenn die Tiere für eine längere Zeit komplett im Dunkeln gehalten wurden. Die Mäuse, in denen verschiedene Gene der inneren Uhr ausgeschaltet wurden, hatten hingegen eine gestörte Bewegungsaktivität, sobald sie für längere Zeit in Dunkeln gehalten werden. Bei der Körpertemperatur ergaben sich ähnliche Ergebnisse: Die Kontrollmäuse haben ein typische, periodische Veränderung ihrer Körpertemperatur sowohl im normalen Tag-/Nachtrhythmus als auch im Dauerdunkeln, wohingegen die durch CRISPR/Cas-veränderten Mäuse im Dunkeln eine aperiodische Veränderung der Körpertemperatur haben.

Offene Fragestellungen
Die Studie ist ganz klar in der Grundlagenforschung zur Erforschung der zirkadianen Rhythmik in Säugetieren einzuordnen. Die Autoren entwickeln ein Verfahren, um bis zu drei Wegweiser für die Genschere CRISPR/Cas9 in Adeno-assoziierte Viren zu verpacken und damit in lebende Mäuse einzuschleusen. Es werden also bis zu drei verschiedene Zielsequenzen auf einmal verändert. In vorangegangenen Studien wurde meist nur ein Gen-Knockout der inneren Uhr mit CRISPR/Cas9 bewirkt. Was in der Studie nicht gemacht wurde und mit dem hier beschriebenen System nicht möglich ist, ist eine Kombination der verschiedenen Zielgene Cry1, Cry2, Pers1, Pers2 und Bmal1. Bisher ist die Publikation ein Machbarkeitsnachweis, um zu zeigen, dass damit relativ schnell Multiplexing von bis zu drei verschiedenen Zielsequenzen sowohl in Maus-Zellen in der Zellkultur als auch in lebendigen Mäusen angewandt werden kann.

Referenz:
Kim B, Kim J, Chun M, Park I, Kwak D, Choi M, Kim K, Choe HK (2021) Multiplexed CRISPR-Cas9 system in a single adeno-associated virus to simultaneously knock out redundant clock genes. Scientific Reports 11 (1):2575. doi:10.1038/s41598-021-82287-0