Whole chromosome loss and genomic instability in mouse embryos after CRISPR-Cas9 genome editing

Ergebnisse aus vorherigen Publikationen

Aus Experimenten an menschlichen Zelllinien ist bereits bekannt, dass die Schnitte, auch Doppelstrangbrüche genannt, die durch die Genschere CRIPSR/Cas im Erbgut bewirkt werden, zu großen, ungewollten Umlagerungen der DNA führen können (Leibowitz et al.; 2021; Zuccaro et al., 2020; Weisheit et al., 2020).

Das Erbgut der meisten Zielorganismen ist in Chromosomen organisiert. Ein Chromosom besteht aus zwei Chromosomenarmen, die an einem Zentromer zusammengehalten werden. Das Zentromer dient während der Zellteilung dazu, dass beide Tochterzellen jeweils eine Kopie (ein sogenanntes Schwesterchromatid) der Chromosomen erhalten. Bei einer klassischen Anwendung der Genschere wird die DNA des Ziel-Chromosoms in zwei Teile geschnitten: einen Teil, der mit dem Zentromer des Chromosoms verbunden bleibt, und ein weiteres Stück, das nicht mehr mit dem Zentromer verknüpft ist. Diese „freien“ DNA-Stücke können zum Teil in sogenannte Mikrokerne eingeschlossen werden, die dann zusätzlich zum Zellkern in der Zelle vorliegen. Mikrokerne können in Zellen durch verschiedene Einwirkungen entstehen, beispielsweise als Folge eines nicht reparierten DNA-Doppelstrangbruchs. Sie sind ein Hinweis auf genetische Instabilität.

In früheren Studien zeigte sich bei der Untersuchung der DNA-Stücke in Mikrokernen , dass diese zum Teil massiv umstrukturiert und in verschiedenen Kopien vorlagen. Hier kam es zu einem Effekt namens „Chromothripsis“. Chromothripsis ist ein Mutationsprozess, der durch die Erzeugung des DNA-Doppelstrangbruchs an der Zielregion ausgelöst wird. Dabei kann die Kopienzahl der DNA-Abschnitte aufgrund von Deletionen und Vervielfältigung dieser Bereiche stark schwanken. Chromothripsis tritt häufig in menschlichen Krebszellen und bei bestimmten Erbkrankheiten auf.

Ergebnisse der aktuellen Studie von Papathanasiou et al.

Der Fokus der Studie von Papathanasiou et al. liegt auf der Analyse unbeabsichtigter, durch  CRISPR/Cas ausgelöster, Veränderungen während der frühen embryonalen Entwicklung von Mäuse-Embryonen. Dafür wurde die Genschere als Enzymkomplex in Maus-Zygoten jeweils mit zwei verschiedenen gRNAs (Wegweiser der Genschere) eingebracht, durch die die Genschere zum zweiten und siebzehnten Chromosom gebracht wurde. Die WissenschaftlerInnen wollten untersuchen, ob auch bei ihren Versuchen DNA-Fragmente in Mikrokernen eingeschlossen werden und ob es, wie zuvor in anderen Studien mit menschlichen Zelllinien, zu einem Verlust von ganzen Chromosomen kommen kann. Dafür untersuchten sie das 8-Zellen-Stadium der injizierten Maus-Embryonen genauer: Durch mikroskopische Analysen konnten sie nachweisen, dass es zur Bildung von Mikrokernen kommt. Für genauere Aussagen zu den konkreten chromosomalen Veränderungen isolierten die WissenschaftlerInnen anschließend die einzelnen Zellen der Maus-Embryonen (insgesamt 24 Embryonen und 202 Einzelzellen) und führten eine Einzelzellsequenzierung durch.

Es zeigte sich, dass es in einigen Zellen zur Ausbildung von Mikrokernen, sogenannten Chomosomenbrücken, und zum Verlust von ganzen Chromosomen gekommen war. Chromosomenbrücken verbinden die verkürzten Schwesterchromatiden miteinander, denen das DNA-Stück fehlt, das in den Mikrokernen eingeschlossen wurde. Die durch Chromosomenbrücken verbundenen Schwesterchromatiden werden während der Zellteilung gemeinsam an eine Tochterzelle vererbt, die andere Tochterzelle erhält in diesem Fall keine Kopie dieses Chromosoms. Das erklärt auch den Verlust von ganzen Chromosomen in anderen Zellen des jeweiligen Embryos. Chromothripsis wurde in den Versuchen nicht nachgewiesen, was sehr wahrscheinlich auf die relativ geringe Anzahl an untersuchten Zellen zurückzuführen ist.

Diese Studie zeichnet sich aus durch die sehr genaue Analyse des Erbguts der Einzelzellen der Mäuse-Embryonen aus. Durch Einzelzellsequenzierungen ist es möglich nachzuverfolgen, wie chromosomale Aberrationen während der Embryonalentwicklung entstehen und in den Zellteilungen weitergegeben werden.

Quelle
Papathanasiou, S., Markoulaki, S., Blaine, L.J. et al. Whole chromosome loss and genomic instability in mouse embryos after CRISPR-Cas9 genome editing. Nat Commun 12, 5855 (2021). https://doi.org/10.1038/s41467-021-26097-y

Weitere Referenzen

Leibowitz ML, Papathanasiou S, Doerfler PA, Blaine LJ, Sun L, Yao Y, Zhang C-Z, Weiss MJ, Pellman D (2021) Chromothripsis as an on-target consequence of CRISPR–Cas9 genome editing. Nature Genetics. Doi: 10.1038/s41588-021-00838-7

Zuccaro MV, Xu J, Mitchell C, Marin D, Zimmerman R, Rana B, Weinstein E, King RT, Palmerola KL, Smith ME, Tsang SH, Goland R, Jasin M, Lobo R, Treff N, Egli D (2020) Allele-Specific Chromosome Removal after Cas9 Cleavage in Human Embryos. Cell. doi: https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.10.025

Weisheit I, Kroeger JA, Malik R, Klimmt J, Crusius D, Dannert A, Dichgans M, Paquet D (2020) Detection of Deleterious On-Target Effects after HDR-Mediated CRISPR Editing. Cell Rep 31 (8):107689. doi: https://doi.org/10.1016/j.celrep.2020.107689