Grundlagen über biologische Bedeutung und Aufnahme von Stickstoff
Stickstoff ist für Lebewesen essentiell und kommt in Proteinen, Nukleinsäuren und weiteren Stoffen wie zum Beispiel Chlorophyll vor. Tiere nehmen Stickstoffverbindungen mit der Nahrung auf, Pflanzen aus dem Boden. Pflanzen können den molekularen Stickstoff aus der Luft (N2) nicht direkt nutzen, sondern sie sind auf andere Quellen angewiesen wie mineralischen Stickstoffdünger, zersetzte Biomasse oder bestimmte Bakterien, die den Luftstickstoff in Ammoniumstickstoff (NH4+) umwandeln und somit für die Pflanzen verfügbar machen. Viele solcher stickstofffixierenden Bakterien leben in der Umgebung von Pflanzenwurzeln und teilweise in Symbiosen mit ihnen: Die Pflanzen erhalten von den Bakterien den leicht verfügbaren Stickstoff, und die Bakterien erhalten von den Pflanzen zuckerhaltige Verbindungen.
Die heutige konventionelle Landwirtschaft nutzt verschiedene Stickstoffdünger, um die Ernten zu steigern. Diese sind jedoch teuer, belasten Böden und Gewässer und tragen zum Treibhauseffekt bei. Daher werden Ansätze verfolgt, um zum Beispiel die Stickstoffdüngung effektiver zu machen, den überschüssigen Stickstoff im Boden zu binden oder die biologische Stickstofffixierung der Bakterien in Böden zu erhöhen.
Ergebnisse der Studie von Yan et al.
Um die Stickstoffverfügbarkeit bei Reispflanzen zu verbessern, verfolgten die WissenschaftlerInnen einen indirekten Ansatz: Die Reispflanzen sollten so verändert werden, dass sie mehr stickstofffixierende Bakterien anlocken. Dazu wurde nach Pflanzenstoffen gesucht, die die Ansiedlung stickstofffixierender Bakterien rund um die Pflanzenwurzeln fördern.
Durch ein Screening wurden Stoffe im Reis identifiziert, die die Biofilmbildung eines beispielhaften, stickstofffixierenden Bakteriums (Gluconacetobacter diazotrophicus) stimulieren. Biofilme sind stabile und geschützte Gemeinschaften von Mikroorganismen an Oberflächen, die durch von ihnen produzierte Schleimschichten aus Zucker, Proteinen und Wasser zusammengehalten werden. Durch die Anregung der Biofilmproduktion sollte generell die Ansiedlung stickstofffixierenden Bakterien an pflanzlichen Wurzeln und im Weiteren die biologische Stickstofffixierung gefördert werden.
Bei dem Screening wurden bestimmte Inhaltsstoffe vom Reis einzeln daraufhin getestet, ob sie in Kulturen verschiedener Bakterien eine Biofilmbildung auslösen. Unter anderem förderte der Pflanzenfarbstoff Apigenin, ein Flavon, die Bildung eines Biofilms bei G. diazotrophicus und auch bei mehreren anderen bekannten stickstofffixierenden Bakterien.
Um anschließend die Menge an Apigenin in der Reispflanze zu erhöhen, wurden mit Hilfe von CRISPR/Cas9 Enzyme ausgeschaltet, die den Pflanzenfarbstoff abbauen beziehungsweise in andere Stoffe umbauen. Die so modifizierten Reispflanzen wurden für weitere Untersuchungen in Töpfen kultiviert. Ihre Wurzeln enthielten nachweislich mehr Apigenin.
Wurzelextrakte der veränderten Reispflanzen stimulierten die Biofilmformation von Bakterienkulturen (G. diazotrophicus) stärker als die von unverändertem Reis. Weitere Untersuchungen mit den ganzen Pflanzen zeigten, dass die veränderten Pflanzen auch mehr Stickstoff aufnahmen als die unveränderten. Unter Stickstoff-limitierten Bodenbedingungen hatten die modifizierten Pflanzen mehr Rispen und ihr Ertrag stieg um 20-35%. Ein verminderter Wuchs wurde unter allen Bedingungen als Nebeneffekt der Modifizierung festgestellt.
Untersuchungen von Bodenproben ergaben, dass sich die Zusammensetzung der Bodenbakterien in der Nähe der Wurzeln der modifizierten Reispflanzen im Vergleich zum modifiziertem Reis änderte. Die Pflanzenwurzeln rekrutierten mehr stickstofffixierenden Bakterien.
Relevanz der Ergebnisse
In der Studie von Yan et al. wurde ein Ansatz erprobt, bei dem eine Veränderung im Stoffwechsel der Pflanzen vorteilhafte Bakterien anlocken soll. Durch das Ausschalten der nachgeschalteten Stoffwechselwege des Pflanzenfarbstoffs Apigenin gelang es, den Stoff in der Pflanze anzureichern und dadurch vermehrt stickstofffixierende Bakterien in der Wurzelumgebung der Pflanze anzusiedeln.
Der Eingriff in die Verstoffwechslung von Apigenin bedeutet aber auch, dass andere Stoffe, die aus Apigenin hervorgehen, in der Pflanze weniger oder nicht mehr produziert werden. In diesem Fall sind das vor allem weitere Pflanzenfarbstoffe. Ein Beispiel dafür ist Luteolin, das dafür bekannt ist, selbst eine wichtige Rolle in der Pflanzen-Bakterien-Interaktion zu spielen und Symbiosen zu fördern (Peters et al.). Ein anderes sind Tricin-Metabolite, die auch aus Apigenin hervorgehen. Sie haben eine wichtige Rolle in der Abwehr von zum Beispiel Pilzpathogenen und Insekten und werden in Bestandteile der Zellwände eingebaut (Lam et al.).
Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht wohl durchdacht, einen bestehenden pflanzlichen Stoffwechselweg mit Hilfe von CRISPR/Cas9 auszuschalten und allein die gewünschten Wirkungen zu betrachten. Einerseits könnten die modifizierten Reispflanzen im Freiland deutlich empfindlicher gegenüber Infektionen sein. Andererseits wird die Zusammensetzung der Mikrobiota in der Wurzelumgebung der Pflanze verändert. Dies wirkt vielleicht positiv auf die Stickstoffaufnahme, aber es ist auch denkbar, dass andere für die Pflanzen wichtige Interaktionen mit Mikroorganismen negativ beeinflusst werden, weil die Pflanze andere Flavone nicht mehr bildet. In Reispflanzen gibt es zum Beispiel auch endophytische, also in Pflanzenteilen lebende stickstofffixierende Bakterien. Sie spielen zugleich eine wichtige Rolle bei der Pathogenabwehr ihrer Wirtspflanze (Pittol et al.). Die veränderte Zusammensetzung der Pflanzenfarbstoffe im Reis könnte sich auf diese und andere Mikroorganismen auswirken und sollte bei der Entwicklung der Pflanze gründlich untersucht werden. Darüber hinaus sollte die Anfälligkeit gegenüber Pathogenen als auch die Auswirkungen unterschiedlicher Umweltbedingungen auf die veränderten Pflanzen analysiert werden.
Referenzen
Yan D, Tajima H, Cline LC, Fong RY, Ottaviani JI, Shapiro HY, Blumwald E. Genetic modification of flavone biosynthesis in rice enhances biofilm formation of soil diazotrophic bacteria and biological nitrogen fixation. Plant Biotechnol J. 2022 Jul 23. https://doi.org/10.1111/pbi.13894. Epub ahead of print. PMID: 35869808.
Lam PY, Lui ACW, Wang L, Liu H, Umezawa T, Tobimatsu Y, Lo C. Tricin Biosynthesis and Bioengineering. Front Plant Sci. 2021 Aug 26;12:733198.
https://doi.org/10.3389/fpls.2021.733198. PMID: 34512707; PMCID: PMC8426635.
Peters NK, Frost JW, Long SR. A plant flavone, luteolin, induces expression of Rhizobium meliloti nodulation genes. Science. 1986 Aug 29;233(4767):977-80.
https://doi.org/10.1126/science.3738520. PMID: 3738520.
Pittol M, Durso L, Valiati VH et al. Agronomic and environmental aspects of diazotrophic bacteria in rice fields. Ann Microbiol 66, 511–527 (2016).
https://doi.org/10.1007/s13213-015-1154-6