Massive crossover suppression by CRISPR–Cas-mediated plant chromosome engineering

Grundlagen zur Rekombination und chromosomalen Inversionen

Bei der Meiose (Keimzellbildung) wird die Anzahl der Chromosomen halbiert, sodass im Ergebnis männliche und weibliche Keimzellen nur einen einfachen Chromosomensatz haben. Zu Beginn der Meiose lagern sich im noch doppelten Chromosomensatz gleiche, also homologe Chromosomen aneinander. Hierbei kommt es häufig zum Crossing-over: einem Austausch von einander entsprechenden Teilabschnitten homologer Chromosomen mütterlicher und väterlicher Herkunft. Diesen als intrachromosomale Rekombination bezeichneten Vorgang gibt es nur bei der geschlechtlichen Fortpflanzung. Durch ihn wird das Erbgut neu kombiniert und die genetische Variation in der Nachkommenschaft erhöht.

Bei der Züchtung (von Pflanzen und Tieren) ist dieser Prozess bislang nicht steuerbar. Wenn zum Beispiel eine Pflanze mehrere Gene mit gewünschten Eigenschaften aufweist, kann nicht garantiert werden, dass alle von ihnen an einen Nachkommen weitergegeben werden. Durch die Rekombination können gewünschte Gene teilweise getrennt und neu kombiniert werden.

Ein natürlich vorkommender Mechanismus, der Crossing-over verhindern kann, ist die chromosomale Inversion. Bricht ein Chromosom an zwei Stellen, kann es zu solch einer Inversion kommen. Dabei wird das herausgebrochene Chromosomenstück in umgekehrter Ausrichtung wieder eingefügt. Lagert sich so ein Chromosom mit dem homologen Chromosom aneinander, wird ein Cross-over durch die Inversion unwahrscheinlicher, der genetische Austausch bleibt aus. Die Gene innerhalb der Inversion werden daher „im Block“ vererbt. Wenn es zu einem Cross-over kommt, sind die resultierenden Keimzellen oft nicht lebensfähig, da Genabschnitte komplett verloren gehen oder sich verdoppeln. Inversionen setzen die Fruchtbarkeit eines Organismus daher teilweise stark herab. Deshalb sind vor allem große Inversionen in der Natur selten zu finden (Kirkpatrick 2010).

Ergebnisse der Studie von Rönspies et al. (2022)

In der Studie von Rönspies et al. wurde untersucht, ob sich ein Chromosom in Arabidopsis von der Rekombination ausschließen lässt. Dafür wurde mit Hilfe von CRISPR/Cas9 eine sehr große Inversion in das Chromosom eingeführt. Diese soll verhindern, dass es zu Cross-over-Ereignissen dieses Chromosoms mit dem homologen Chromosom kommt. Dadurch sollen die Gene des Chromosoms in unveränderter Kombination an die Nachkommen weitergegeben werden.

Die von Rönspies et al. eingeführte CRISR/Cas9-Inversion erstreckte sich fast über das ganze Chromosom. Nur die Enden, die Telomere, blieben in der natürlichen Orientierung stehen. Untersuchungen der Nachkommen dieser Pflanzen mit invertiertem Chromosom zeigten, dass ihre Fruchtbarkeit wie zu erwarten teilweise herabgesetzt war.

Um die Hypothese zu testen, ob eine intrachromosomale Rekombination durch die CRISPR/Cas9-Inversion des Chromosoms verhindert werden kann, wurde die Häufigkeit untersucht. Im Vergleich zur Kontrolle waren die Cross-over-Ereignisse bei Pflanzen mit CRISPR/Cas9-Inversion deutlich seltener. Wenn es doch zu Rekombinationen kam, waren diese fast ausschließlich auf die Regionen der Telomere außerhalb des Inversionsbereichs beschränkt. Sehr selten kam es jedoch auch in den Inversionsbereichen zu komplexen Rekombinationen, die in lebensfähigen Keimzellen resultierten.

Relevanz der Ergebnisse

Die Ergebnisse beweisen, dass es durch einen Umbau eines Chromosoms mit Hilfe von CRIPSR/Cas9 möglich ist, Rekombinationen weitestgehend zu unterdrücken.

Für die auf dem Chromosom liegenden Gene bleiben solche Inversionen jedoch nicht folgenlos. Einerseits wird durch die Inversion zwar nicht die DNA-Sequenz verändert, aber am Anfang und Ende der Inversion werden DNA-Sequenzen abgebrochen und neu aneinandergereiht. Das kann zur Folge haben, dass Gene unvollständig sind oder neue Genprodukte entstehen. Andererseits verändert sich auch die Position der Gene, was einen massiven Einfluss auf die Expression der Genprodukte haben kann.

Durch die Inversion könnte neben der Fruchtbarkeit auch die Anpassungsfähigkeit der Pflanze negativ beeinflusst werden (Roesti et al., 2022). Der Vorteil, dass genetischer Austausch unterdrückt wird, kann mit einer gleichzeitigen Einschränkung der Anpassung an neue ökologische Bedingungen einhergehen. Außerdem können sich schädliche Mutationen auf dem invertierten Bruchstück anhäufen, weil sie von der Neukombination ausgeschlossen werden.

In dieser und auch vorangegangenen Studien konnte gezeigt werden, dass mit der Genschere CRISPR/Cas9 sehr tiefe Eingriffe in die natürliche Rekombination und Vererbung der Gene möglich sind. Beispielsweise wurden eigentlich gekoppelte Gene voneinander getrennt (Roldan et al., 2017, Schmidt et al., 2020) oder die Häufigkeit der Rekombination von inaktiven, geschützten Genen erhöht (Sarno et al., 2017). Der in der Publikation verfolgte Ansatz zeigt eine weitere Anwendung der Genschere mit hohem technischem Potential, die über die Grenzen der bisherigen Züchtung hinausgeht.

Referenzen

Rönspies M, Schmidt C, Schindele P, Lieberman-Lazarovich M, Houben A, Puchta H. Massive crossover suppression by CRISPR-Cas-mediated plant chromosome engineering. Nat Plants. 2022 Sep 15. https://doi.org/10.1038/s41477-022-01238-3 Epub ahead of print. PMID: 36109610.

Kirkpatrick M. How and why chromosome inversions evolve. PLoS Biol. 2010 Sep 28;8(9):e1000501. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.1000501 PMID: 20927412; PMCID: PMC2946949.

Roesti M, Gilbert KJ, Samuk K. Chromosomal inversions can limit adaptation to new environments. Mol Ecol. 2022 Sep;31(17):4435-4439. https://doi.org/10.1111/mec.16609 Epub 2022 Jul 26. PMID: 35810344.

Roldan MVG, Périlleux C, Morin H, Huerga-Fernandez S, Latrasse D, Benhamed M, Bendahmane A. Natural and induced loss of function mutations in SlMBP21 MADS-box gene led to jointless-2 phenotype in tomato. Sci Rep. 2017 Jun 30;7(1):4402. https://doi.org/10.1038/s41598-017-04556-1 PMID: 28667273; PMCID: PMC5493662.

Sarno R, Vicq Y, Uematsu N, Luka M, Lapierre C, Carroll D, Bastianelli G, Serero A, Nicolas A. Programming sites of meiotic crossovers using Spo11 fusion proteins. Nucleic Acids Res. 2017 Nov 2;45(19):e164. https://doi.org/10.1093/nar/gkx739 PMID: 28977556; PMCID: PMC5737382.

Schmidt C, Fransz P, Rönspies M, Dreissig S, Fuchs J, Heckmann S, Houben A, Puchta H. Changing local recombination patterns in Arabidopsis by CRISPR/Cas mediated chromosome engineering. Nat Commun. 2020 Sep 4;11(1):4418.https://doi.org/ 10.1038/s41467-020-18277-z PMID: 32887885; PMCID: PMC7474074.